Iwantschuk halten nur Pistolen und Carlsen auf

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 Wassyl-g uck-in-die-Luft verliert bei Überfall in Sao Paulo sein geliebtes Schachset / Norweger gewinnt Stichkampf beim Masters-Finale
 von FM Hartmut Metz

 Dass Raubzüge extrem gefährlich sein können, wusste Wassyl Iwantschuk zumindest vom Schachbrett. Wer gierig einen feindlichen Bauern stiehlt, gerät schon mal mit seiner Dame in Bedrängnis. Dass das auch fern der 64 Felder gilt, musste der versponnene Großmeister in Sao Paulo erfahren. Zur Halbzeit des Masters-Finales wurde der Ukrainer in der brasilianischen Metropole mit vorgehaltener Pistole ausgeplündert. Unter Schock erwog Iwantschuk den Abbruch des Turniers – flog dann aber trotzdem nach Bilbao und baute gleich seine Führung aus.


 
 Das Gauner-Duo hatte wohl vermutet, dass sich in den zwei Koffern des Weltranglistensiebten schon das üppige sechsstellige Preisgeld befindet, als Iwantschuk mit seiner Gattin Platz im Taxi gen Flughafen nahm. "Das war schon krass, weil es noch auf dem Hotelgelände passierte", fand der Überfallene. Doch die Halunken erbeuteten kaum Wertvolles – vor allem den Reisepass von Oxana Iwantschuk vermissten die Opfer. Ohne Visum musste sie zurück nach Lwiw reisen. "Ich hatte Glück, dass ich mein Laptop zwischen die Beine gestellt hatte – dort entging es den Gaunern", freute sich der Großmeister, dass ihm wenigstens seine Eröffnungsanalysen für die Rückrunde erhalten blieben.
 
 Einen unbedeutenden Teil der Beute vermisst Iwantschuk dennoch, wie er im Interview einer russischen Webseite bekannte: "Auch wenn es nichts monetär Wertvolles war, besaß mein Schachset einen besonderen Wert. Ich benutzte es viele, viele Jahre", trauert der Ukrainer seinen Holzfiguren hinterher und hoffte, dass die Beute "wie durch ein Wunder an ein intelligentes Kind gerät, das Schach lernt und dann vielleicht dereinst ein berühmter Spieler wird".
 
 Seinen Groll nach dem Solo-Flug bekam Hikaru Nakamura in Bilbao zu spüren. Gegen den Amerikaner agierte der Spitzenreiter zum Auftakt der Rückrunde kaum weniger gewalttätig als seine Peiniger in Brasilien: "Mit Wut im Bauch", wie die Webseite Chessbase.de notiert, zertrümmerte Iwantschuk mit "wuchtigen Schlägen den Königsflügel" des Gegners.
 
 Typisch dann, dass der aufgekratzte 42-Jährige anschließend im Kulturzentrum Alhondiga gegen das spanische Schlusslicht Francisco Vallejo Pons unterlag. Der ehemalige Europameister und Vizeweltmeister von 2002 führt ein Leben in Extremen. Für ihn gibt es kein Dazwischen, keine Grauschattierung. Nur Schwarz und Weiß – am liebsten tagein, tagaus mit 32 Holzfiguren darauf. Mal gewinnt Iwantschuk große Turniere im großen Stil – und beim nächsten verliert der Liebling der Fans die erste Partie, seine Lust und wird abgeschlagen Letzter. Deshalb stürzte der frühere Remagener Bundesligaspieler 2009 auf Platz 30 der Weltrangliste ab, nachdem er ein Jahr zuvor rechnerisch für drei Tage ganz vorne gelegen hatte. "Wo ich stehe, hängt allein von meiner Form ab", weiß das Genie, dass es an guten Tagen jeden schlagen kann. Entrückt starrt Iwantschuk dann "an die Decke, das ist besser. Es vernagelt mir nicht den Kopf, ich sehe die Position klarer, die aus der Brettstellung nach fünf, sechs Zügen entstehen kann! Manchmal ist der Blick weg an die kahle Wand sehr hilfreich!", erklärt Wassyl-guck-in-die-Luft allen Ernstes.
 
 An schlechten stehen dort aber nicht die besten Züge. Dem Kauz hilft nach Niederlagen seine eigene Therapie: "Manchmal liebe ich es, einfach in einem dunklen Raum zu sein und mich zu erholen. Das ist aber ein wichtiger Unterschied: Nicht im Bett zu liegen, sondern auf einem Stuhl zu sitzen! Dabei erhole ich mich wirklich gut!" Aber in Bilbao brauchte "Chuky", wie sein Spitzname lautet, keine Gardinen zuziehen. Erst in der vorletzten Partie der Rückrunde schloss Magnus Carlsen mit einem Sieg im direkten Duell zu ihm auf.
 
 Danach gingen der Weltranglistenerste aus Norwegen und Iwantschuk mit 15 Zählern (für einen Sieg gab es drei und ein Remis einen Punkt) über die Ziellinie. Im Stichkampf setzte sich Carlsen mit 1,5:0,5 durch. Nakamura, der Armenier Lewon Aronjan und der enttäuschende Weltmeister Viswanathan Anand (alle 12) folgten mit gehörigem Abstand. Der Spanier Vallejo Pons (10) fiel durch die Schlussrunden-Niederlage gegen seinen Baden-Badener Vereinskameraden Anand wieder auf den letzten Platz zurück.
 
 Nachstehend die Partie, mit der sich Iwantschuk nach dem Überfall abreagierte.
 

Mit freundlicher Genehmigung von FM Harmut Metz

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