Dietmar Berg – Meine Liebe zum Schach.

Bekanntlich leitet unser Vereinsmitglied Dietmar Berg eine Schach-AG am Gymnasium Eickel. Auf Wunsch der Schulleitung hat er ein kurze Abhandlung zum Thema Schach für eine Publikation der Schule verfasst, welche sicherlich auch für den einen, oder anderen Besucher unserer Internetseite von Interesse ist. Mit dem Einverständnis des Verfassers ist der Text nachstehend aufgeführt:
Mein Name ist, wie es die Überschrift schon sagt Dietmar Berg. Ich bin 1966 in Wanne-Eickel geboren und als Herr Dr. Tautz mich fragte, ob ich einen kleinen Artikel über mich und mein Wirken am Gymnasium Eickel vefassen könnte, willigte ich sehr gerne ein. Mein Hauptbetätigungsfeld liegt am Gymnasium Eickel in der Schach AG. Ein weiteres Feld, wenn auch in viel geringerem Umfang, liegt in Antigewalt- und Antiaggressionsschulungen, die ich als professioneller Kampfsportlehrer seit zwanzig Jahren an diversen Herner Schulen gegeben habe und noch immer gebe. Da ich als Person nur bedingt interessant bin, schreibe ich lieber über das Schachspiel.
Schach – Leidenschaft pur!
Oh Gott, werden nun die meisten denken, was soll am Schachspiel aufregend sein, gar Leidenschaft? Wie soll bei diesem Klötzchengeschiebe die Leidenschaft entfacht werden? Ich kann diese Fragen durchaus nachvollziehen, gerade heutzutage in einer extrem schnelllebig gewordenen Zeit. Und es stimmt, die grundlegenden Schachregeln kann man einem Jugendlichen an einem einzigen Tage beibringen und schon können die ersten Partien auf das Brett geworfen werden. Es scheint nicht viel schwieriger zu sein, als eines der heutigen scheinbar so komplexen Computerspiele. Und doch gibt es ein paar wesentliche Unterschiede. Die meisten Computerspiele sind relativ intuitiv erlernbar und man kann hohe Spiellevel durch reines Wiederholen erreichen, man lernt also beim Spielen an sich, erringt so Teilerfolge, die das eigene Ego streicheln, ähnlich wie beim Poolbillard, wo sich die Anfänger freuen, wenn sie mehr oder minder zufällig eine Kugel versenken.
Doch beim Schach verhält sich der Lernprozess ganz anders. Damit man im Schach dauerhaft in den Genuss des Erfolges kommen kann, muss man dieses Spiel ernsthaft trainieren. Man muss sich ernsthaft mit dem Spiel auseinandersetzen – ja – man muss es ernsthaft studieren! Und Studium setzt voraus, dass man selber bereit ist, seriös zu arbeiten. Seriös Arbeiten? Das hört sich erstmal ganz unsexy an – ich weiß! Aber wenn man erstmal bereit ist, sich seriös und mit Fleiß, in unserem Fall das Schachspiel, zu erarbeiten, dann wird man mit einem unvergleichlichen Vergnügen belohnt –  dem Vergnügen der Erkenntnis und dem Genuss wahren Verstehens. Damit bekommen alle Handlungen rund um das erarbeitete Thema eine spielerische Leichtigkeit. Beim Schachspiel wird man im wahrsten Sinne der Worte „General und Schlachtenlenker“ über die eigenen Heere. An dieser Stelle setzt das „ästhetisch Wirksame im Schachspiel“ ein, wie es der herausragende deutsche Schachweltmeister, Prof. Dr. Emanuel Lasker (Philosophie, Mathematik), formulierte.
Prof. Dr. Lasker, Weltmeister von 1894 bis 1921, befreundet mit Albert Einstein, war ein Universalgenie, und er war dem Schachspiel seiner Zeit um Jahrzehnte voraus. Er hatte zum Schachspiel einen wahrhaft philosophischen Zugang. Unabhängig von diesem philosophischem Zugang, der Schach als ein ideales Modell aller kämpferischen Konflikte betrachtet, kann man über Schach ein paar faktische Aussagen treffen, die uns dem, was das ästhetisch Wirksame ausmacht und damit die Leidenschaft entfacht, näher bringen sollen.
Schach ist ein mehrdimensionales Spiel. Das Brett an sich ist natürlich zweidimensional, aber die Spielelemente des Schachs beinhalten ganz unterschiedliche Dimensionen:
1. Die Dimension „Materialstärke“
Diese erste Dimension ist eine Scheindimension und ich will hier auch garnicht näher erläutern, weshalb dies eine Scheindimension ist. Wir wollen einfach festhalten, dass es sich hier primär um eine rein quantitative und nur sekundär um eine qualitative Feststellung handelt.
2. Die Dimension des Raumes
Der Raum, seine Aufteilung, seine lokalen und globalen Spezifika, entscheidet in Kombination mit den Zugeigenschaften der verschiedenen Figuren darüber, wie Truppenteile manövriert und damit in kampfrelevante Abschnitte verlegt werden können.
3. Die Dimension der Zeit
Die Zeit ist unter Betrachtung der Entwicklung der Spielfiguren in Relation zur Entwicklung der gegnerischen Kampfeinheiten pro Zugeinheit (in Analogie zur Sekunde bei physikalischen Vorgängen) ebenfalls wie der Raum von entscheidender Bedeutung. D.h., je mehr Truppen bzw. auch deren Wirkkraft an kampfentscheidende Abschnitte des Feldes in möglichst kurzen Zugfolgen verlegt werden können, desto erfolgversprechender werden die Offensiv- und Defensivoperationen.
4. Die „Raumzeit“
Wie in der Physik, Raum und Zeit eigentlich nicht zu trennen sind, sondern zur Raumzeit verschmelzen, so gilt dies auch für das Schachspiel. Raum und Zeit sind untrennbar miteinander verknüpft. Ohne das vernünftige Verknüpfen von Raum und Zeit ist kein erfolgreiches und schon gar kein ästhetisch wirksames, die Leidenschaft entfachendes Schachspielen möglich!
5. Das ästhetisch Wirksame – das große Vergnügen der Schachkunst.
Jemand, der das Schachspiel auf höherem Niveau gemeistert hat, der kommt in den unvergleichlichen Genuss als Herrscher über „Raum und Zeit“ seine Figuren wie von Zauberhand zu führen und ihre Wirkkraft entwickeln zu lassen!

Schlußwort:
Ich weiß, dass dies alles, gerade das zuletzt Gesagte, für einen Nichtschachspieler schwer zu fassen ist und auch die meisten „Hobbyklötzchenschieber“ können dies nur bedingt erfassen. Wer aber bereit ist, Enthusiasmus, Arbeit, Energie und Hirnschmalz zu investieren, der bekommt dies vom Schachspiel tausendfach zurückgezahlt! Ich glaube, dass es kaum eine andere Kunst gibt, die so schwer zu erarbeiten ist und die Menschen für ein ganzes Leben derart zu fesseln vermag. Exzellente Musiker, Physiker und Mathematiker etc. mögen dies ähnlich empfinden. In all diesen „Kunstformen“ kommt zuerst das seriöse Erarbeiten der fachlichen Materie, im Verlauf dieses Prozesses kommt das Verstehen und dann erst Stück für Stück das wahre Meistern der Kunst und erst mit dem Meistern der Kunst setzt die wahre Leidenschaft, das Vergnügen, das, was das ästhetisch Wirksame ausmacht, ein.
In diesem Sinne würde es mich freuen, wenn wir hier am Gymnasium Eickel wieder mehr Schüler für das Schachspiel begeistern könnten und die Schach AG im kommenden Schuljahr vielleicht zweistellig werden würde.
LG Dietmar Berg

Dieser Beitrag hat 2 Kommentare

  1. Fritz Hampe

    Glückauf Dieter !
    Dr.Tautz hatte Dich gebeten, einen kleinen Artikel über Dich und Dein Wirken am Gymnasium Eickel zu verfassen.Daraus ist eine gut formulierte "Klausurarbeit" geworden.Ich habe mir den Beitrag ausgedruckt um die volle " Dimension "zu studieren.Alle Achtung ,Du hast Dir viel Mühe damit gemacht. Viel Erfolg weiterhin mit Deiner Aufgabe in der Schach AG und mindestens im neuen Schuljahr eine rege zweistellige Beteiligung. Es grüßt Euch Fritz aus dem Sauerland 

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